Teams müssen schnell und koordiniert auf Turbulenzen reagieren können!
Philip Keil ist Pilot und mit kritischen Situationen bestens vertraut. Diese treten aber nicht nur über den Wolken auf, sondern fordern tagtäglich auch Führungskräfte, beispielsweise von Handwerksbetrieben. Seinen Erfahrungsschatz hat Experte Keil daher auch am vergangenen MEISTER Forum geteilt. Im folgenden Interview zeigt er unter anderem auf, weshalb der Blick fürs Wesentliche und eine funktionierende Fehlerkultur den Unterschied ausmachen können.
Zur Veranschaulichung des Umgangs mit kritischen Situationen sprechen Sie jeweils von einem besonders prägenden Ereignis in Ihrer Berufslaufbahn. Was ist damals passiert?
Richtig. Im Februar 2009 geriet ich mit einer mit 189 Passagieren besetzten Maschine in eine Notsituation. Kurz nach dem Start war das Flugzeug von einer schweren Windscherung erfasst worden. Der damit verbundene Strömungsabriss in geringer Höhe war sehr gefährlich und uns drohte der Absturz. Doch ich konnte in letzter Sekunde die Kontrolle übers Flugzeug wiedererlangen. Dies schaffte ich dank eines eintrainierten Manövers und nicht zuletzt, weil ich mich als Teil eines starken Teams fühlte.
Was kann denn nun eine Führungsperson, etwa in einem Handwerksbetrieb, aus Ihrem Erlebnis lernen?
Sicher kann der Leitsatz für einen Piloten «Fly the aircraft!» auch auf die Unternehmensführung übertragen werden. Denn auch hier zählt der Blick fürs Wesentliche. Wohl mögen im Chefbüro oder in der Produktionshalle nicht eine Reihe von Warnlampen aufblinken oder akustische Signale schellen. Doch stetiger Zeitdruck, sehr grosse Verantwortung und zusätzliche Inputs von allen Seiten – der Führungsalltag am Boden verlangt nach aufs Wesentliche reduzierten Entscheidungen. In Krisenzeiten müssen diese zudem schnell getroffen werden können. Tritt der Stress überraschend auf, blockiert dieser unser rationales Denken. Umso wichtiger ist es dann, den Fokus zu finden. Fragen, wie «Was ist in diesem Moment wirklich wichtig?» oder «Um was geht es hier genau? » helfen bei der Konzentration auf eine wichtige Sache.
Inwiefern lassen sich denn auch Manöver zur Krisenbewältigung in einem Unternehmen antrainieren?
Sie sprechen hier sinnbildlich den Krisensimulator an. Tatsächlich kann man sich für allfällig auftretende Schwierigkeiten fit machen. Daher ist es hilfreich, sich in einem Unternehmen regelmässig selbstkritisch mit Schwachstellen zu beschäftigen. Natürlich gehört dazu, sich Strategien vor einem drohenden Crash zu überlegen. Gerade auch neuere Entwicklungen, wie Digitalisierung, Industrie 4.0 oder künstliche Intelligenz verdrängen Routinen und funktionierende Prozesse. Unsicherheiten und Turbulenzen entstehen. Daher müssen Teams Wege finden, schnell und koordiniert auf Unwägbarkeiten reagieren zu können.
Damit sind wir beim Teamwork angelangt. Worauf kommt es hier an?
Ich vertrete die Philosophie, dass Teamwork nur auf Augenhöhe und mit Vertrauen funktioniert. Daher erachte ich es als angebracht, dem Mitarbeiter mehr Verantwortung zu übertragen. Schliesslich sorgt dies für ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit ist gleichzeitig die höchste Form der menschlichen Motivation. Dieser Schritt erfordert von Führungspersonen Demut. Damit geht einher, das Steuer und die Verantwortung abzugeben, wodurch andere wachsen können. Dies mag für eine Führungskraft zwar eine Herausforderung bedeuten, doch die Übernahme zusätzlicher Verantwortung mag auch für den Mitarbeiter alles andere als einfach sein. Schliesslich muss er sich diese Übernahme von Verantwortung auch zutrauen.
Verhindert nicht gerade auch die Angst vor Fehlern das Übergeben und Übernehmen von Verantwortung?
Fehler und das Leben einer Fehlerkultur sind durchaus ein ernst zu nehmendes Thema. Wichtig hierbei ist: Es kommt immer wieder zu Fehlern und niemand ist fehlerfrei. Dabei ist nicht der Fehler an sich das Problem, sondern die Fehlerkette. Weshalb kann ein Unternehmen in Schwierigkeiten kommen? Nicht, weil ein Einzelner einen Fehler begeht. Verantwortlich dafür ist vielmehr, dass niemand im Team Fehler sieht oder sehen will. Vielleicht traut sich auch niemand, den Fehler offen anzusprechen. Daher ist das bereits angesprochene Vertrauen auch so wichtig. Fehlt dieses, wird vertuscht oder verschwiegen. Umso mehr zählt die Fehlerkultur zur Firmenkultur. Im Rahmen einer positiven Fehlerkultur werden Fehler von jedem offen angesprochen. Daraus lässt sich erstens lernen. Zweitens erlaubt der offene Umgang mit Fehlern eine schnelle Reaktion. Selbstverständlich gilt hierbei, dass die Führungskräfte eine positive Fehlerkultur vorleben müssen.
Und wie kommuniziert man in schwierigen Situationen?
Tatsächlich kommt der Kommunikation gerade auch während turbulenten Zeiten eine entscheidende Bedeutung zu. Somit ist die verbindliche Kommunikation sehr bedeutend. Denn damit können in Unternehmen hohe Reibungsverluste verhindert werden. Reibungsverluste, die entstehen, weil Verantwortlichkeiten nicht richtig geklärt werden und sich niemand wirklich «zuständig» fühlt. Daraus können Missverständnisse und schwierige Situationen entstehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass unter Stress vieles untergeht. Daher hilft es, am Ende eines längeren Gesprächs eine Zusammenfassung mit den Kernbotschaften zu formulieren. Ebenso lässt sich aus der Antwort des Gegenübers auf eine offene Frage erkennen, ob die eigene Botschaft verstanden worden ist.
Gerne gebe ich noch einen weiteren Ratschlag: Achten Sie auf klare und kurze Sätze! Dies gilt umso mehr bei wichtigen und komplexen Inhalten.


Unsichere Zeiten erfolgreich meistern – fokussiert und mit dem richtigen Teamwork

Erst verstehen, dann verstanden werden!


